Ende September 1942 mussten britische Bürger von der Kanalinsel Guernsey innerhalb weniger Tage ihre Heimat verlassen und wurden zuerst mit dem Schiff nach St. Malo in Frankreich und von dort auf einer dreitägigen Bahnfahrt quer durch Frankreich und Luxemburg zuerst in ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager nach Dorsten gebracht. Von diesem Lager, welches bei der Ankunft in einem verheerenden Zustand war, wurden die Männer, Frauen und Kinder mit notdürftigem Reiseproviant in einer eineinhalb Tage dauernden Zugreise nach Biberach transportiert, wo sie am frühen Nachmittag des 14. November 1942 am Bahnhof ankamen. Es war kalt und schneite, als die teilweise entkräfteten Deportierten mit ihren Habseligkeiten zu Fuß zum Lager Lindele gingen. Dort angekommen, durften sie aber nicht die Suppe essen, die ihnen von schon zuvor dort internierten Kanalinselbewohnern aus Jersey zubereitet wurde. Sie mussten sich zuerst bei Kälte und beißendem Wind in Reih und Glied aufstellen um in einer endlos langen Prozedur gezählt zu werden. Bis zur Befreiung durch die Alliierten am 23. April 1945 waren etwa 1000 britische Deportierte im Lager Lindele interniert.
Ehemalige Deportierte aus Guernsey begegnen uns heute in Liebe und Toleranz
„Vieles ist im Laufe der Jahre geschrieben worden von Deportierten und Historikern über die Deportation, die Reise und das Leben im Lager selbst, aber die Wirkung dieser Erfahrung auf die Einzelnen war und ist immer noch verschieden. Einige Deportierte konnten über ihre Erfahrungen reden, während andere die Erinnerungen zu schmerzlich fanden, um sie mitzuteilen, und deshalb sprachen sie nie darüber“, so schreibt Jill Chubb, die Vorsitzende der ehemaligen Deportierten in einer Grußbotschaft an den Biberacher Freundeskreis Guernsey. Die Mitglieder des Freundeskreises nahmen den 80. Jahrestag der Ankunft der ersten Deportierten aus Guernsey zum Anlass, den Weg vom Biberacher Bahnhof zum früheren Lager Lindele, heute Hochschule für Polizei, zu gehen. Der Einladung zu diesem Fußmarsch folgten etwa 25 Personen, darunter der frühere Oberbürgermeister Thomas Fettback und auch Mitglieder des Jersey Komitee aus Bad Wurzach.
Ende September 1942 mussten britische Bürger von der Kanalinsel Guernsey, die nicht auf der Insel geboren waren, innerhalb weniger Tage ihre Heimat verlassen und wurden zuerst mit dem Schiff nach St. Malo in Frankreich und von dort auf einer dreitägigen Bahnfahrt quer durch Frankreich und Luxemburg zuerst in ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager nach Dorsten gebracht. Von diesem Lager, welches bei ihrer Ankunft in einem verheerenden Zustand war, wurden die Männer, Frauen und Kinder mit notdürftigem Reiseproviant in einer eineinhalb Tage dauernden Zugreise nach Biberach transportiert, wo sie am frühen Nachmittag des 14. November 1942 am Bahnhof ankamen.
Helga Reiser, die Vorsitzende des Freundeskreises Guernsey und Rotraud Rebmann lasen abwechselnd aus den Büchern „Es war nicht nur Karneval im August“ von Reinhold Adler und aus den Tagebüchern und Erinnerungen „The Day the Nazis came“ von Stephen Matthews und „Beyond the Wire“ von Margaret Rose. Beginnend am Bahnhof wurde aus Adlers Buch der spätere Lagerleiter Garland zitiert: „Nach dem Ausladen aller unserer Habseligkeiten wurden wir in Fünferreihen aufgestellt, und alle mit Ausnahme der Kranken mussten ihr Gepäck gut eine Meile weit einen steilen Berg hinauf zum Lager tragen. Es schneite und der Schnee lag bereits ziemlich hoch. Wer stark genug war, half mit, das Gepäck jener zu tragen, die dazu nicht in der Lage waren. Für manche ältere Leute ging das über ihre Kräfte und sie fielen zurück, wurden aber sofort von den Wachen mit den Gewehrkolben unnachsichtig in die Reihe zurückgestoßen.“
Am Biberkeller hörten die Teilnehmer von Stephen Matthews, der damals vier Jahre alt war. Er erinnert sich, dass Frauen mit Babies und Männer mit schweren Koffern und Paketen als erbärmliche Nachzügler immer weiter hinter der Gruppe zurückfielen und von den „bösartigen“ Wachen zusammengetrieben und beschimpft und geschupst wurden. Sein Tennisball, mit dem er sich auf dem Weg die Zeit vertreiben wollte, rutschte ihm aus der Hand, flog in weitem Bogen auf die Straße und rollte den Berg wieder hinunter wo er in der Nähe der Wachen stoppte. „Als ich ihn aufheben wollte, erhielt ich einen heftigen Schlag an meinen Kopf von einem zornigen Aufpasser, wurde zurück in die Gruppe gedrängt und musste meinen Ball außer Reichweite zurück lassen.
„Du musst deiner Mutter helfen, sagte Margarets Vater und ließ sie mit ihrem eigenen Gepäck und ihrer Mutter, die in einem zunehmend erbärmlichen Zustand war, zurück. Für das kleine Mädchen war es unmöglich, die gebrechliche Mutter zu unterstützen, zudem in Frauenschuhen, an denen ihr Vater die hohen Absätze abgeschnitten hatte, da ihre eigenen Lackschuhe gänzlich ungeeignet für diese Strapaze waren. Sie war zutiefst beschämt, dass sie der Anweisung ihrer Eltern, warme vernünftige Schuhe mitzunehmen, keine Beachtung geschenkt hatte.
Reinhold Adler zitiert in seinem Buch auch den Deportierten Eric Sirett, der sich an eine spontane Hilfsbereitschaft unterhalb des Anstiegs der Straße erinnert, als zwei junge Burschen einem Ehepaar zu Hilfe kamen, indem sie die zwei großen Koffer auf ihren Schlitten aufluden und bis hinauf zum Lagereingang schleppten.
Vorbei am Weingartenberg ging der Weg auf den Spuren der Deportierten hinauf zur heutigen Hochschule für Polizei, wo die Teilnehmer erfuhren, welcher Prozedur die Männer, Frauen und Kinder ausgesetzt waren. Sowohl von Garfield Garland, als auch von Stephen Matthews und Margaret Rose wird berichtet, dass bei der Ankunft im Lager ein strenger Zählappell herrschte. Eins, zwei, drei, vier, fünf! Insgesamt wurden sie, in Fünfergruppen aufgestellt, wiederholt gezählt, da die Wachen nicht in der Lage waren, die Zählung mit der Liste in Einklang zu bringen, die sie von Dorsten mitbekommen hatten. Dem bittersten Wind ausgesetzt, die Kinder blaugefroren vor Kälte und die Frauen und Männer total erschöpft, konnte Garland nicht länger zusehen. Er erklärte, dass er für die Gruppe verantwortlich sei und dass er alles unternehmen würde, um sie zur Zufriedenheit der Wachen zu zählen, wenn sie es ihnen nur erlauben würden, die Mahlzeit zu essen, die zuvor angekommene Kanalinselbewohner aus Jersey für sie zubereitet hatten. Beim Zählen stellte sich dann heraus, dass ein Kleinkind übersehen wurde und Kranke, die in Dorsten zurückgelassen wurden, immer noch auf der Liste standen. Bis aber jeder dann seine Schüssel voll Suppe und Pellkartoffeln abgeholt hatte und zur Baracke zurück kam, war die Suppe kalt und fast ungenießbar. Margaret schreibt in ihrem Buch: „Wir hatten schrecklichen Hunger und fielen über das Essen her wie ein Rudel gefräßiger Wölfe. Es war eine der besten Mahlzeiten, die ich jemals gegessen habe und heute noch wenn es Pellkartoffeln gibt, kann ich nicht anders als mich an diesen „glorious moment“ zu erinnern.
Das vielleicht stärkste emotionale Erlebnis, so schreibt Jill Chubb in Ihrer Grußbotschaft, war die Furcht vor dem Unbekannten, nur übertroffen von dem Verlust des Zuhauses und das Zurücklassen von Freunden und Verwandten und der Ungewissheit über das Schicksal der Deportierten bis zum Tag der Befreiung am 23. April 1945. „Der Sinn solcher Ereignisse bestand wohl darin, die Feinseligkeiten von Krieg und den dadurch verursachten Hass zu erfahren und sicherzustellen, dass wir, wenn wir uns heute als Freunde begegnen, zukünftigen Generationen zeigen können, wie wichtig Liebe und Toleranz für uns sind“.
Den Abschluss bildete eine Führung durch die Dauerausstellung „Leben hinter Stacheldraht“ in der Hochschule für Polizei, bei der die Einzelnen eine Vorstellung von den Verhältnissen im Lager Lindele bekamen.