Einen sehr
unterhaltsamen und informativen, und dabei wahrlich exzellenten und vom
Publikum umjubelten Auftritt gab es mit der Palmarosa Band aus Asti bei der vom
Kulturamt, Städte Partner Biberach e.V. und Jazzclub im Rahmen der
Französischen Wochen veranstaltenden Konzertes im leider nur mittelmäßig-gut besuchten
Jazzkeller. Unter der Federführung von Schlagzeuger und Bandleader Luciano
Poggio hat die Gruppe den Einfluss der französischen Chansoniers und Chanteusen
der späten 1950er und frühen 1960er Jahre auf die italienischen Cantautori mit erläuterndenen
Texten und vor allem musikalisch erzählt. Mit diesem Auftritt der Gruppe aus
der italienischen Partnerstadt Asti bei den Französischen Wochen und dem Mix
aus Chansons und Cantautori wurde nebenbei das Dreieck Valence-Asti-Biberach
betont: alle drei Städte sind städtepartnerschaftlich rege miteinander
verbandelt.
Die im Original
italienischen Erläuterungen wurden vorab von Viviane Burgio-Thomas übersetzt
und am Abend in komprimierter Version von Hans-Bernd Sick, der seit über 30
Jahren mit Musikern der Palmarosa Band befreundet ist und über den Städte
Partner Biberach e.V. zahlfältige Kontakte in die Musikszene Astis pflegt, vorgetragen.
Im Nachkriegsfrankreich waren es Interpreten wie z. B. Jacques Prévert und
Edith Piaf, die Unterhaltung und Kultur miteinander verbanden. Sie wollten
unterhalten und ihre Zuhörer gleichzeitig zum Nachdenken bringen. Während sich
in Frankreich die „Kultur“ in die politische Diskussion einmischte und
Bestandteil der politischen Auseinandersetzung war, wurde in Italien lediglich das
Publikum unterhalten, das so dem Alltag „ohne zu denken“ entfliehen
konnte. „Paris Canaille“ eröffnete den musikalischen Reigen, „Les Feuilles Mortes“,
„Sous le ciel de Paris“ und „La Boheme“ folgten als weitere Beispiele dieser
frühen Epoche. Die Palmarosa Band überzeugt von Anbeginn als homogenes Ensemble,
fließend und nahtlos wechselten die Soli zwischen Keyboarder Claudio Genta, Alessandro
Gianotti an der Gitarre, Ezio Cocito am Saxophon und der klassischen Mandolinistin
Amelia Saracco hin und her. Amelia Saracco verlieh dem Abend mit ihrem farbenreichen
Spiel einen schon auch klischeehaften, aber wohltuend klingenden italienischen
Flair. Akzentuiert und präzise, und dabei doch sehr zurückhaltend unterstütze
die Rhythmusgruppe mit Bassist Lorenzo Nisoli und Luciano Poggio am Schlagzeug
das farbige Spiel. Und über allem schwebte die modulierende Stimme der
zierlichen Sängerin Maria Rosa Negro, die mal zart und zerbrechlich klang und
dann wieder kraftvoll die Zuhörer in ihren Bann zog. Das Ganze wurde von Vincenzo
„Piuma“ Penna bestens abgemischt. Der berühmte Faro di
Genova, der mächtige Leuchtturm im Hafen von Genua, fungierte als Antenne und
nahm die Signale auf, die die Pariser Antenne, der Eiffelturm über die Alpen
sendete. Dort traf sie den Nerv einiger Musiker und inspirierte diese sowohl
musikalisch als auch inhaltlich. Vor allem in Genua entwickelte sich eine neue
“Szene“ mit Umberto Bindi, Luigi Tenco, Gino Paoli, Fabrizio De Andrè und Bruno
Lauzi. Auch Paolo Conto aus Biberachs Partnerstadt Asti gehörte dazu. Da seine
Familie ein Häuschen am Meer besaß, hatte er auch als „Binnenländer“ leichten Zugang
zur Genueser Musikszene. So also kam das gebannt lauschende Publikum in den
Genuss der international bekannten Conte-Lieder „Genova per noi“ und Onda su onda“.
Chansons wie „Domino“ mit
dem typischen valzer musette , dem
Klang des Akkordeons, und „Et maintenant“ kamen zwar in Italien an, die Inhalte
der Texte dort jedoch „entpolitisiert“, und aus der engagierten Juliette Greco
wurde beispielsweise in der italienischen Öffentlichkeit ein oberflächliche, ja
geradezu langweilige Person. Der Liedtypus des Chansons wurde in Italien also
aufgegriffen, aber zumindest anfänglich musikalisch geglättet und auch der
Rhythmus „italienisiert“, wie am Beispiel von Gino Paolis „Il cielo in una
stanza“ gezeigt wurde.
Diese Gruppe italienischer
Musiker, deren Hochburg Genuas pittoreskes Stadtviertel Boccadasse war, erlangte
Aufmerksamkeit, wurde zum berühmten, wegweisenden Festival in San Remo
eingeladen, und 1960 wurde dort für diesen neue Stil der Begriff „Cantautori“ geprägt.
Exemplarisch für deren wohl bekanntesten Vertreter, dem zu früh verstorbenen
Fabrizio di Andrè, gab es dessen „La citta vecchia“, einer Neuinterpretation von
Brassens „Le Bistrot“, und „Si Fosse Foco“, dessen Melodie auf einer
Komposition Telemanns basiert, zu genießen. In welchem gesellschaftlichen Kontext
die Cantautori standen, macht das Beispiel von Umberto Bindi deutlich, der 1961
zwar mit großem Erfolg in San Remo auftrat, allerdings aus seiner
Homosexualität keinen Hehl machte und deswegen von den Medien totgeschwiegen
wurde.
Die französischen Chansons
selbst eroberten auch die USA, berühmte Jazzer landeten in Paris, und Paris avancierte
zur europäischen Hauptstadt des Jazz. Den Einfluss der Chansons auf den Jazz belegte
die Palmarosa Band mit unter die Haut gehenden Interpretationen von Porters „ I
Love Paris“ und den von Louis Armstrong bzw. Sidney Bechet neu interpretierten Chansons
„C’est si bon“ und „Petite fleur“.
Zahlreiche weitere ausgefeilte
Arrangements bot die Band dem gebannt lauschenden Publikum, und nicht nur bei Klassiker
wie Piafs „Non je ne regrette rien“ durften etliche im Saal eine Gänsehaut
bekommen haben. In der Hoffnung, dass am Ende doch immer die Liebe siegen möge,
beendete die Palmarosa Band ihr grandioses Programm mit der „L’hymne a l’amour“.
Zwei Zugaben gab es obendrauf, mit einer phantastischen Interpretation von „O
sole mio“ (eigentlich mag man das Lied ja schon gar nicht mehr hören) endete ein
großartiger Konzertabend und alle Gästen waren überzeugt, dass so ein Konzert
einen deutlich größeren Rahmen verdient hätte. Vielleicht gibt es ja doch ein
nächstes Mal?!
(hbs)
Fotos: Michael Schlüter