30 Jahre ist es her, dass der Städtepartnerschaftsvertrag
zwischen dem georgischen Telawi und Biberach unterzeichnet worden ist. Am 6.
Oktober 1987, also lange vor der EU-Osterweiterung, noch zu den Zeiten der
alten UdSSR, leisteten Telawi und Biberach ein aktives Beispiel für
Verbundenheit und Zusammengehörigkeit über unvereinbar empfundene gesellschaftliche
Systeme hinweg. Auf dem Höhepunkt des so genannten „Kalten Kriegs“ war es für
Biberach wichtig, die Unversöhnlichkeit militärischer Blockbildung eine
Städtepartnerschaft entgegenzusetzen, die vom Willen zu Frieden und von der
Überzeugung von gemeinsamen Werten getragen war.
Nun hat
diese Städtepartnerschaft im Jubiläumsjahr künstlerische Gestalt angenommen.
Der Biberacher Bildhauer Frank Raendchen, der schon vieler Orts Kunstwerke für
den öffentlichen Raum geschaffen hat, so für die BMW Welt München, die
Hafencity Hamburg, die Nationalgalerie Kairo oder die Deutsche Botschaft in
Skopje, hat aus rund fünf Tonnen georgischem Granit, drei Tonnen Stahl-Beton
und 200 kg Glas zwei Stelen geschaffen, die einander zugewandt – fast könnte man sagen: Miteinander
kuschelnd – seit wenigen Tagen neben dem Rathaus in Telawi ihre Verortung
gefunden haben. Rund zweieinhalb Meter ragen sie in den meist blauen
telawischen Himmel hinauf und verändern fast sekündlich ihre Wirkung auf den
Betrachter.
Dafür sorgen die Glasplatten, die in den Granit eingelassen
sind und die das sich stets verändernde Tageslicht gleichermaßen aufnehmen und
brechen wie die Licht- und Schattenwirkungen der vorbeifahrenden Autos.
Die beiden Stelen sind aber nicht nur skulptural gewordener
Ausdruck der beiden befreundeten Städte – sie weisen über das rein
Künstlerische hinaus. Während Raendchen in einem rund zweiwöchigen Prozess,
assistiert von Helfern vor Ort, sein Werk aufgebaut hat, gab es immer wieder
Gespräche mit Passanten, die sich für das im Entstehen begriffene Kunstwerk
interessierten und die sogar Teil desselben wurden. Raendchen hatte sie nämlich
ermuntert, persönliche Wünsche auf jede Glasplatte zu schreiben, die
dokumentiert wurden und Teil des Kunstwerks sind. So entstand ein unmittelbarer
Bezug zwischen den Bürger/innen vor Ort und der Skulptur, ein Objekt der
Bürgerkunst, an dem viele Leute Teil hatten und auch zu deren Einweihung
zahlreich erschienen sind. Und wie das neue Werk von der Einwohnerschaft
unmittelbar auf- und angenommen worden ist, zeigt sich nicht zuletzt darin,
dass schon am ersten Tag Verabredungen getroffen worden sind mit der
Formulierung „Wir treffen uns beim Raendchen“.
Der
Künstler selber hat das Werk im Ehrenamt gefertigt; die Kosten für Material,
Reise und Aufenthalt übernahm die Stadt Biberach aus Anlass des 30-jährigen
Städtepartnerschafts-Jubiläum mit Telawi. Stadtrat Rainer Etzinger, der seit
rund 20 Jahren viele partnerschaftliche Aktivitäten mit Telawi betreut, nutzte
seine Präsenz vor Ort, um die vielfältigen Formen der Zusammenarbeit unter
anderem mit der Deutschen Botschaft und der Deutschen Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) – beide in Tiflis – im Bestand zu
sichern und weiterzuentwickeln, wie auch Kulturdezernent Dr. Jörg Riedlbauer
die Gelegenheit nutzte , Projekte und Maßnahmen für den künftigen
Kulturaustausch zwischen Telawi und Biberach in die Wege zu leiten.
Ein soziales Kunstwerk entsteht: Bürger/innen aus Telawi
nehmen intensiven Anteil am Aufstellen der neuen Skulptur von Frank Raendchen
und versehen die Skulptur mit ihren eigenen Wünschen und Gedanken.
Das Werk ist vollendet – Koordinatorin der
Partnerschaftsarbeit und Übersetzerin Manana Inashvili, Stadtrat Rainer
Etzinger, der Künstler Frank Raendchen und Kulturdezernent Dr. Jörg Riedlbauer
(v.r.n.l.) bei der Einweihung der neugeschaffenen Skulptur zum
Städtepartnerschafts-Jubiläum Telawi-Biberach.