Beppe Gambetta zum Heimspiel im Jazzkeller
Seit über zehn Jahren ist der Genueser Flatpicking-Gitarrist oder neuhochdeutsch „Singer/Songwriter“ Beppe Gambetta in Biberach und Umgebung eine feste Hausnummer. Dementsprechend gut gefüllt war der Jazzkeller bei dem von Jazzclub, Musiknachtverein und Städte Partner Biberach gemeinsam organisierten Konzert am Samstagabend. Der in New Jersey lebende Künstler mit den italienischen Wurzeln hat sich, tatkräftig unterstützt durch den Warthausener Hans Bernd Sick, einen großen und treuen Fankreis in der Region erschlossen. Dafür und für dessen „völkerverbindende Aktivitäten“ im Allgemeinen sprach ihm Gambetta am Ende des Konzertes seinen herzlichen Dank aus. Nach der pandemiebedingten zweijährigen Unterbrechung nahezu aller kulturellen Liveaktivitäten konnte Gambetta jetzt mit einem neuen, hochinteressanten und unterhaltsamen, von ihm selbst launig moderierten Programm aufwarten.
Der Flatpicking-Meister Gambetta, in den Fußstapfen des legendären Doc Watson, von dem er auch musikalisch inspiriert wurde, mit dem er eng befreundet war und zu dessen Beerdigung er auch spielen durfte, machte seinem Vorbild alle Ehre. Nicht nur sein neues Buch über die Wurzeln des „Flatpicking-Spiels“, das er in vorweihnachtlicher Voraussicht wärmstens anpries, auch die mitgebrachte neue CD „Where The Wind Blows“ oder „Dove Tia O Vento“, aus der auch ein Großteil des Programms gespeist wurde, dürfte in der Fachwelt ein Meilenstein des Flatpicking werden.
Aber beim virtuosen Gitarrenspiel hört das Phänomen „Beppe Gambetta“ noch längst nicht auf. Eine ausdrucksvolle und vielseitige Singstimme, stilistisch offene Kompositionen aus der Welt- oder Independent-Musikszene, oft auch kurz „Indie“ genannt, ein begnadeter Conférencier und Geschichtenerzähler und gleichzeitig ein freundlicher, umgänglicher, hoch gebildeter Zeitgenosse verbirgt sich hinter dem Namen. Gambetta ist ein hochsensibler Künstler, der persönlich tiefen Anteil nimmt an den derzeit leider wenig erfreulichen Entwicklungen in der Welt. Und genau dies spiegeln auch seine Stücke wieder, genau dies lässt sie authentisch und bedeutungsvoll wirken, erhebt sie über gewöhnlichen Indie-Pop.
Vor wenigen Tagen erst spielte er während seiner mehrwöchigen Europatournee in der Schillerstadt Marbach. Seine Komposition „Amica Libertà“ offenbarte dort, wie er selbst bekannte, in besonderem Maße ihre tiefere Bedeutung. Friedrich Schiller und allen von Gewalt und Krieg bedrängten Menschen hatte er diese Komposition gewidmet. Auf Schillers Zitat „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit“ und damit auf die Freiheit der Kunst von materiellen und vor allem auch politischen Zwängen hat er sich in diesem Titel wie in dem „Independent“ genannten Musikstil explizit bezogen. Die genreübergreifende Mischung aus neu arrangierten, italienischen oder amerikanischen Volksweisen und brandneuen Eigenkompositionen mit Gegenwartsbezug, diverse Assoziationen wie im Song „Wise old man“, im Titelsong der CD „Dove Tio O Vento“ (Wo der Wind uns hinbläst), im traurigen „Lamento“ (Klagelied) oder auch in dem elegischen Abgesang auf „La musica nostra“, verweisen auf einen gereiften Personalstil, auf eine gewisse Abgeklärtheit oder Altersweisheit des lebenserfahrenen Künstlers aber auch auf einen möglichen, von Kunst und Kultur geleiteten Ausweg aus der tristen Gegenwart.
Die fruchtbare Zusammenarbeit mit seinem elektronischen Helferlein „Gino“, welches ihm, mit dem Fußschalter bedient, erst den Weg in eine komplexe Mehrschichtigkeit und zu ausgedehnten, selbstbegleiteten Soloimprovisationen ermöglichte, ließ dichte, wohlklingende, durch die mitgebrachte Soundanlage veredelte Klangpreziosen entstehen. Gleich drei Zugaben brauchte es um das enthusiastische Publikum zufrieden zu stellen, die Stücke und ihre Botschaften dürften noch lange nachwirken.
Text und Foto: Dr. Helmut Schönecker
3 Fotos: Hans-Bernd Sick (StäPa)