In diesem Jahr findet die Europawoche vom 2. bis 11. Mai statt – zum zweiten Mal unter der Belastung und den Einschränkungen der Corona-Pandemie. Eigentlich waren in diesen Tagen Veranstaltungen zu Europa geplant. Der Verein Städte Partner Biberach e. V. (StäPa) wollte am Samstag, der 9. Mai, mit seinem traditionellen „Internationalen Markt der Partnerstädte“ für ein gemeinsames Europa werben – gemeinsam mit den Freunden aus den Partnerstädten.
Da dies nicht möglich ist, hat der Biberacher Oberbürgermeister Norbert Zeidler seine Gedanken zu Europa wie folgt formuliert:
„Die Corona-Pandemie stellt Europa vor große Herausforderungen: Die Schlagbäume, von denen wir gedacht hatten, dass sie nur noch als Reminiszenzen an längst vergangene Tage dienen würden, wurden mit einem mal wieder heruntergelassen. Die Versäumnisse bei der gemeinsamen Impfstoffbeschaffung der EU-Staaten beeinträchtigten das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger in die europäischen Institutionen.
Umso wichtiger ist es, sich gerade in diesem Tagen vor Augen zu führen, welch große Erfolgsgeschichte das Projekt der europäischen Einigung nach den verheerenden Erfahrungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war und ist.
Die Stadt Biberach an der Riß sieht ihre freundschaftlichen Kontakte zu ihren Partnerstädten immer auch im Hinblick auf ein geeintes Europa. Hier wird ein tragfähiges Netz aus zwischenmenschlichen Beziehungen geknüpft, die dazu beitragen, das abstrakte Ideal eines geeinten Europas mit Leben zu füllen und unabhängig von sich abwechselnden politischen Hochs und Tiefs krisenfest zu machen. Der Vereine Städte Partner Biberach e.V. leistet an dieser Stelle Großartiges. Es bleibt zu hoffen, dass sehr bald wieder Besuche und Gegenbesuche unserer Freunde möglich sind. Sicher ist: Zerstören kann das Corona-Virus das menschliche Beziehungsnetz, das mit viel Leidenschaft geknüpft wurde, in keinem Fall! Im Gegenteil: Wir alle vermissen den persönlichen Kontakten zu unseren städtepartnerschaftlichen Freunden schmerzlich. Ich bin mir sicher: Der Stellenwert unserer Städtepartnerschaften und Kontakte wird nach Corona nochmals deutlich höher und intensiver sein.“
Hans-Bernd Sick ergänzt als Vorsitzender des Vereins Städte Partner Biberach e. V. mit den Worten: „Mit dem Blick in unsere Partnerstädte wird uns immer wieder aufs Neue bewusst, dass nicht nur wir hier, sondern überall die Menschen mit der Pandemie zu kämpfen haben. Und das teils unter widrigeren Bedingungen. Die aktuelle Situation macht deutlich, dass wir noch einiges an unserem gemeinsamen Europa zu arbeiten haben. Wir brauchen ein funktionierendes Europa, um die anstehenden und zukünftigen Aufgaben, auch erwartbare neue Pandemien, besser bewältigen zu können. Daher ist es wichtig, auch jetzt die Kontakte untereinander zu pflegen. Auch wenn wir uns nicht persönlich treffen können, so hilft der andauernde Austausch, die Vorfreude auf zukünftige gemeinsame Unternehmungen zu schüren.“
Da auch in diesem Jahr der Markt und der Besuch aus den Partnerstädten nicht stattfinden kann, möchte der StäPa zumindest kurz informieren, wie momentan die Situation in den Partnerstädten ausschaut:
Im Piemont in Italien liegt die Corona Inzidenz aktuell etwas niedriger wie in Deutschland; auch in Asti stehen die Impftermine im Zentrum des öffentlichen Interesses. Aber es gibt Schritte hin zu mehr Öffnungen. So lädt der auch in Biberach bestens bekannte Gitarrist Beppe Gambetta vom 13. bis 16. Mai zu seiner Acoustic Night ins ligurische Genua ein. Zwar nur mit einem Drittel der üblichen Besucher, aber immerhin!
Guernsey hat die zweite Corona-Welle wieder überstanden, es gibt aktuell keine Infizierten mehr. Von den über 16-jährigen sind mittlerweile 44 % zum ersten Mal und 16 % schon zum zweiten Mal geimpft. Es herrscht eine 14-tägige Einreisequarantäne. Die meisten Insulaner reisen nur zwischen den Inseln Alderney, Herm, Sark und Guernsey. Für die Bewohner gibt es wenige Einschränkungen, daher konnten sich die Guernsey Friends of Biberach und die Guernsey Former Deportees zu ihrem Liberation Day am 23. April treffen. 76 Jahre sind es nun her, dass französische Truppen das Lager Lindele in Biberach befreit haben. Am Vormittag wurden an der Gedenktafel für die Deportierten am White Rock Blumen niedergelegt und an die in Biberach Verstorbenen erinnert. Dankbar wurde auch an die freundschaftlichen Beziehungen zu Biberach gedacht. Beim Mittagessen konnte Jill Chubb, die Vorsitzende der ehemaligen Deportierten, die Grußbotschaft des Biberacher Freundeskreises vorlesen und Bilder von der kurz zuvor stattgefundenen Gedenkfeier bei den blau-gelb geschmückten Gräbern auf dem evangelischen Friedhof in Biberach zeigen. Wegen der Quarantäne konnten keine Gäste aus Großbritannien kommen, aber immerhin 25 Teilnehmer trafen sich ungezwungen und tauschten Erinnerungen aus.
Polen ist von COVID-19 sehr stark betroffen. Das öffentliche Leben ist deutlich eingeschränkt. Die Schließung von Geschäften, gastronomischen und kulturellen Einrichtungen sind ähnlich geregelt wie in Deutschland. Geöffnet sind Kindergärten und Kitas. Die Öffnung von Grundschulen, Friseuren und Kosmetiksalons ist auf bestimmte Wojewodschaften beschränkt, wobei – wie auch bei uns – die Regelungen ständig geändert werden. Viele Schulkinder lernen online.
In Restaurants sind nur Mitnahme- und Lieferservice erlaubt. Im öffentlichen Nahverkehr gilt eine begrenzte Platzbelegung. Öffentliche und private Versammlungen sind mit begrenzter Personenzahl möglich. Hochzeiten und private Feiern sind untersagt. Die Regierung empfiehlt der Bevölkerung, wenn möglich zu Hause zu bleiben.
Die Beschränkungen gelten bis Anfang Mai, sie werden nur in Wojewodschaften mit der geringsten Inzidenz gelockert. Auf den Straßen sind wenige Leute, berichtet die Vorsitzende des Schweidnitzer Partnerschaftsvereins Aleksandra Rokicka.
Das Impfsystem scheint inzwischen gut zu funktionieren. Die Leute melden sich an, aber es gibt auch zahlreiche Impfgegner. In Swidnica wurde vor kurzem eine große Impfstelle im Gebäude der städtischen Eisbahn eröffnet. Es gibt einen neuen Impfplan, nach dem ab dem 9. Mai auch alle über 18-Jährigen Impftermine erhalten sollen. Außerdem können seit 20. April Restdosen an volljährigen Personen verimpft werden, wenn sie andernfalls verfallen sollten. Die aktuelle Impfquote in Polen ist ähnlich der deutschen. Im Kreis Schweidnitz gab es bisher 9.029 Corona-Erkrankte (7.193 im Landkreis Biberach).
Von unseren Freunden aus England gibt es Positives zu berichten. Dank der bereits Ende Dezember angelaufenen Impfkampagne sind inzwischen bereits 90% der über 50jährigen, 30% der 16-49Jährigen geimpft. Zusammen mit dem seit dem 8. März für ganz England geltenden 4-Stufen Plan zur langsamen Lockerung des Lockdowns hat dies dazu geführt, dass der 7-Tages-Inzidenzwert in Tendring derzeit bei 23 liegt, Tendenz sinkend. England ist jedoch sehr vorsichtig, was die Lockerungen anbelangt. Trotz beneidenswert niedrigen Fallzahlen wird am 4 Stufen Plan festgehalten. So gibt es ab dem 12. April wieder die Möglichkeit in Geschäften jeder Art einkaufen zu gehen, unter Einhaltung der Corona Maßnahmen, oder sich einen Haarschnitt zu gönnen. Sue aus Colchester berichtet, dass am Samstag viele Leute das schöne Wetter ausgenutzten und sich einen schönen Tag beim Einkaufen gemacht haben. Eine weitere Lockerung betrifft die Pubs. Man kann sich wieder dort treffen, Essen an Tischen im Freien einnehmen, aber eben nur im Außenbereich. Einige haben das Angebot vergangene Woche schon genutzt, bei Abendtemperaturen unter 10 Grad eine frostige Angelegenheit, kein wirklicher Genuss, da es dann doch ungemütlich und das Essen nach 5 Minuten schon kalt war.
Reisen ist das, was viele vermissen. Derzeit sind Auslandsreisen nicht gestattet. Einige von unseren Freunden haben Kinder und Enkelkinder in Australien, Afrika oder dem Nahen Osten, die sie schon lange nicht mehr gesehen haben. Die Hoffnung ist, dass zu Weihnachten ein Besuch möglich sein wird. Auch das Reisen innerhalb von Großbritannien ist noch nicht erlaubt. Erst mit der Stufe 3 ab Mitte Mai werden Campingplätze wieder geöffnet.
Richard und Helen, die ihre Enkelkinder betreuen, berichten, dass sie das erste Mal seit einem Jahr wieder eine Erkältung hatten. „Back to normal“ scherzen Sie lachend.
Wie im gesamten Georgien gehen auch in Telawi die Zahlen gehen wieder hoch. Das Impfen verläuft sehr schleppen, da es nur wenig Impfstoff gibt, nur etwa 30.000 Impfdosen bei rund 3,7 Millionen Einwohnern! Derzeit werden in Georgien rund 1.800 Neuinfektionen pro Tag gemeldet.
Frankreich, und damit auch Valence, ist seit Anfang April wieder in Lockdown. „Wir dürfen uns zwar bis 19 Uhr im Freien aufhalten, aber wir sollen nur im Umkreis von 10 km bewegen“, berichtet Romain Galati, stellvertretender Vorsitzender des „Comité de Jumelage de Valence“. Die Schulen sind noch offen, aber viele Geschäften sind zu. Alle nicht „notwendigen“ Geschäfte sind geschlossen. Aber ab Anfang Mai sollen die Beschränkungen gelockert werden, z.B. der 10 km-Bewegungsradius entfällt. Ab Mitte Mai können Bars und Restaurants im Außenbereich, sowie Kultureinrichtungen wieder öffnen.
Es gibt nun ein neues Impfzentrum in Valence, so stehen zusammen mit dem Krankenhaus jetzt zwei große Impfeinrichtungen zur Verfügung. Momentan werden nur Personen ab 55 Jahr geimpft. „Ich als Lehrer darf mich noch nicht impfen lassen“, gibt sich R. Galati enttäuscht.
Dagegen freuen sich die beiden aktiven Comité-Mitglieder Barbara und Bernard Cruvillier über ihre erfolgte Impfung im Krankhaus, und sie lobten die gute Organisation dort. Aber alle die drei Valencer sehnen sich, wie auch alle anderen auch, nach mehr Freiheit und „hoffen, dass wir unsere Biberacher Freunde bald wiedersehen können“.
So geht es auch den Biberacher StäPa-Mitgliedern – alle brennen auf ein Wiedersehen mit den Freund*innen in den sechs Partnerstädten.