Von vier unterschiedlichen Reisen auf die mit Biberach freundschaftlich verbundene Kanalinsel handelten die Beiträge beim Gesprächsabend mit Guernsey Reisenden zu dem der Freundeskreis Guernsey im Verein Städte Partner Biberach in die VHS eingeladen hatte. Helga Reiser begrüßte die zahlreichen Gäste und besonders die vier Mitglieder der Theatergruppe „Guernsey History in Action“, die nach ihren Auftritten im Komödienhaus und an verschiedenen Schulen noch in Biberach waren.
Claudia Feifel-Krause und Agnes Brendle berichteten mit Klangbeispielen und vielen Bildern über das Konzertprojekt „The Peacemakers“ von Karl Jenkins im Jahr 2022 anlässlich 25 Jahre Freundschaft zwischen Biberach und Guernsey. Es war geplant, dieses grandiose Werk in Biberach und in Guernsey mit der Evangelischen Kantorei und dem Guernsey Chamber Choir aufzuführen. Bis zur Aufführung am Freitag zu Beginn des Schützenfestes 2022 verging eine lange und intensive Probenzeit auf beiden Seiten. Der Chamber Choir konnte aus verschiedenen Gründen nicht anreisen und so kam es, dass Bailiff Sir Richard McMahon als Bariton der einzige Sänger aus Guernsey war. Zur Aufführung in St. James in St. Peter Port reiste die Kantorei mit dem Bus Ende Juli über Reims nach St. Malo um am nächsten Morgen mit der Fähre nach Guernsey überzusetzen. Untergebracht waren die Sängerinnen und Sänger im Hotel Les Cotils, traumhaft in einem kleinen Park gelegen und mit einem grandiosen Ausblick auf den Hafen. Die gemeinsame Probe mit Orchester, dem Chamber Choir und dem Guernsey Girls Choir unter der Leitung von Helen Grand verlief so gut, dass dem Auftritt am nächsten Tag in der Kirche St. Stephens nichts im Wege stand. An Stelle des sonst üblichen Einsingens gab es für die Besucher und die Mitwirkenden einen Begrüßungssekt. Das ergreifende Stück, das dem Gedenken an alle gewidmet ist, die in bewaffneten Konflikten ihr Leben verloren haben und in dem Jenkins Friedenstexte u.a. von Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Mutter Teresa, Nelson Mandela u. Dalai Lama vertont hat, war und ist nicht nur für Biberach und Guernsey zutreffend, sondern weltweit.
Jessica Roland, die Stellvertreterin des Bailiffs, lud alle Mitwirkenden und Gäste zu einem Empfang ins Royal Court ein und bedankte sich für das großartige Konzert.
Der Freundeskreis Guernsey und die Stadt Biberach nutzten den Besuch, um mit den ehemaligen Deportierten und den Guernsey Friends of Biberach bei einem Afternoon Tea die 25 Jährige Freundschaft zu feiern. Bis zur Heimreise blieb noch Zeit um die Schönheit der Insel zu entdecken oder im Meer zu baden.
Bei zwei Bürgerreisen 2012 und 2015 konnte Dr. Gerhard Bozler die botanische Vielfalt der Kanalinseln kennen lernen. Ihm genügten vier Pflanzen, je eine für eine Kanalinsel, um das Publikum auf die grüne Landschaft der Inselwelt einzustimmen. Die „andere“ Insel Jersey zeigt anschaulich die klimatischen Bedingungen im Golfstrom. Dunkler Sandboden und fast frostfreie Wintermonate lassen bereits im April eine Ernte der berühmten Frühkartoffeln „Jersey royal“ zu, die nicht nur am englischen Hof, sondern auch in ganz Großbritannien gerne verzehrt werden. Die Kanalinseln des Bailiwick of Guernsey sind zwar unterschiedlich, aber allesamt alter Kulturboden und geprägt von der landwirtschaftlichen Nutzung. Ursprüngliche Vegetation findet sich daher nur noch in den Klippen und am Strand im Marschland.
In Sark ist die Hochfläche geprägt von naturnaher Weidewirtschaft, aber besonders beeindruckt der Meerfenchel in den unzugänglichen Felsen am Meer. Zu Shakespeares Zeiten war dieses Kraut (rock samphire) auf englischen Märkten hochbegehrt. Viele Sammler ließen ihr Leben bei der gefährlichen Ernte. In Guernsey ist heute noch ein Gin mit dem Doldenblütler eine ganz besondere Kostbarkeit. In der salzigen Marsch und in den sandigen Rinnen zwischen den Steinen auf der Insel Herm kann man neben Muscheln und Meeresschnecken auch Meerspargel finden, Salicorne oder Queller, genannt. In gehobenen Restaurants wird dieses Fuchsschwanzgewächs zu Fisch gereicht und meist als „Alge“ angeboten. Damals, bei der Bürgerreise, hatte Gerhard seine Mitreisenden mit einer selbst gesammelten Kostprobe des marsh samphire aus Herm als Vorspeise überrascht. Diesmal gab es wieder ein Versucherle als pikante Rohkost – erstaunlicherweise nun in Biberach käuflich. Guernseyselbst ist geprägt von seiner Gartenkultur. Blumen, etwa Rosen oder Fresien, wurden züchterisch bearbeitet. Nur an wenigen Stellen, im lichten Laubwald findet sich noch das blau blühende, englische Hasenglöckchen, die blue bell. Bedroht ist diese regionale Besonderheit durch eine eingewanderte Verwandte, dem spanischen Hasenglöckchen, das durch gärtnerische Bearbeitung in verschiedenen Farben übrigens auch in Biberachs Gärten vorkommt. Hybride, also Mischlinge, mit dem englischen Original erschweren die Bemühungen zur Erhaltung der ursprünglichen Art. Zu aller Überraschung konnten die anwesenden Gäste aus Guernsey von einer nunmehr neuen Bedrohung der Hasenglöckchen-Bestände berichten. Eine Lauch-Art, der Dreieckslauch, im englischen Stinkzwiebel genannt, gefährdet die Lebensräume der blue bells massiv. Die Gäste sind aktiv an der Initiative zur Reduktion dieses Neophyten beteiligt. In Biberach wächst dieser wohlschmeckende Wildlauch übrigens völlig unauffällig, u.a. in Gerhards Garten.
Das Ehepaar Kuckert nutzte im Juli 2023 die Gelegenheit, mit einem Direktflug nonstop von Memmingen nach Guernsey zu reisen. Dies war möglich, da die Musikschule Guernsey einen Flug für Ihren Besuch zum Schützenfest gechartert hatte und der Flieger sonst leer wieder zurückgeflogen wäre. Das Angebot dieser Reisemöglichkeit nutzen damals fast 50 Personen. Für Kuckerts war dies ein gewisses Experiment, denn Eberhard Kuckert ist auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen. Beide berichteten wie problemlos die Fluggesellschaft damit umging. Auf der Insel waren sie viel mit dem Linienbus unterwegs. Das Ein- und Aussteigen klappte dank der Niederflurtechnik und der Hilfsbereitschaft der Busfahrer hervorragend. Das vom Ehepaar Kuckert ausgewählte Hotel lag ganz in der Nähe des Hafens und war ein idealer Ausgangspunkt für alle möglichen Ausflüge. Leider konnte die vorgelagerte Burg Castel Cornet nicht besucht werden, da diese nicht barrierefrei ist. Ursula und Eberhard Kuckert bedankten sich bei Helga Reiser, die es möglich gemacht hatte, dass der lang gehegte Wunsch nach Guernsey zu reisen, in Erfüllung ging.
Den Bericht von Juliana Jenke über ihren Aufenthalt als Au Pair im Herbst 2015 trug ihre Mutter Michaela vor. Sie wurde damals über einen Facebook Post auf eine Familie aufmerksam, die jemand zur Kinderbetreuung suchte und gleichzeitig diesen die deutsche Sprache näherbringen konnte. Per Flug über London und weiter mit der kleinsten Propellermaschine, in der sie je saß, startete sie ihr Abenteuer Guernsey. Sie wurde von Mark und Susanne, eine Deutsche, und den Kindern William (3) und Anthony (6) empfangen. Gleich beim Einsteigen ins Auto fand sie sich erstmal auf der falschen Seite, denn dass der Fahrer rechts sitzt, daran musste sie sich erst gewöhnen. Das Haus der Familie war an der L’Ancresse Bay im Norden der Insel gelegen. Von Montag bis Freitag machte sie morgens die Kinder fertig für den Kindergarten und die Schule und brachte sie auch dort hin. Nachmittags half sie Anthony bei den Hausaufgaben und spielte danach mit den beiden drinnen oder draußen im Garten. Während dieser Zeit sprach sie viel Deutsch mit den Kindern, welche zwar viel verstanden, aber beim Sprechen doch einen bilingualen Sprachenmix zustande brachten. Abends bereitete sie für die Kinder das Abendessen bevor diese von den Eltern, die inzwischen von der Arbeit nach Hause kamen, ins Bett gebracht wurden. Am Wochenende hatte Juliana frei.
Einmal pro Woche besuchte sie einen Sprachkurs bei dem sie viele nette Gleichgesinnte kennenlernte und ihr Englisch so gut verbesserte, dass sie sich problemlos unterhalten konnte und den stets höflichen Smalltalk an der Supermarktkasse prima verstand. Sie nutzte ihre freie Zeit gerne zum Einkaufen und entdeckte zum Beispiel Shortbread mit Karamell, Mincepies und die leckere Guernsey Milch, die sie bis heute vermisst. In der Zeit, als die Familie für zwei Wochen im Urlaub in Deutschland war, umrundete Juliana die ganze Insel mit dem Fahrrad, ging essen oder ins Kino. Ein Besuch im Occupation Museum durfte nicht fehlen und bei ihren Trips nach Herm oder Sark entdeckte sie beim Wandern die wunderschöne Landschaft der beiden zu Guernsey gehörenden Inseln. Ihre Zeit in Guernsey beschreibt sie als wundervoll, abenteuerlich, manchmal anstrengend, und schaut bis heute noch gerne an die Zeit zurück. Inzwischen beendet sie gerade ihr Master-Studium und wer weiß, vielleicht berichtet sie nach ihrem nächsten Besuch in Guernsey aus der Sicht einer Biologin.
Helga Reiser
Fotos: Ursula Kuckert, Hans-Bernd Sick